Rezension über:

Berit Hildebrandt / Carole Gillis (ed.): Silk. Trade and Exchange Along the Silk Roads Between Rome and China in Antiquity (= Ancient Textiles Series; 29), Oxford: Oxbow Books 2021, XXII + 130 S., zahlr. Farbabb., 2 Kt., ISBN 978-1-78925-551-5, GBP 40,00
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Rezension von:
Kerstin Droß-Krüpe
Ruhr-Universität Bochum
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Kerstin Droß-Krüpe: Rezension von: Berit Hildebrandt / Carole Gillis (ed.): Silk. Trade and Exchange Along the Silk Roads Between Rome and China in Antiquity, Oxford: Oxbow Books 2021, in: sehepunkte 24 (2024), Nr. 4 [15.04.2024], URL: https://www.sehepunkte.de
/2024/04/36005.html


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Berit Hildebrandt / Carole Gillis (ed.): Silk

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Der hier zu besprechende Sammelband ist das Resultat eines zweitägigen Workshops, der im April 2012 am Mahindra Humanistics Center in Harvard stattgefunden hat. Zuerst 2017 im Rahmen der 'Ancient Textiles Series' erschienen, wird der Band nun in einer unveränderten handlicheren Taschenbuchversion vorgelegt. Der Band umfasst eine Einleitung, die den Forschungsstand umreißt und die einzelnen Beiträge zusammenfasst, acht Aufsätze unterschiedlichen Umfangs sowie einen Nekrolog für die 2013 verstorbene Kollegin Irene Lee Good. Hier soll nicht auf alle Beiträge im Detail eingegangen werden, vielmehr werden einige Beiträge herausgegriffen, die über die in den klassischen Altertumswissenschaften vertraute(re) griechisch-römische Perspektive auf die Seidenstraßen hinausgehen und dadurch in besonderem Maße neue, bereichernde Impulse für weitere Forschungen liefern können.

Der erste knappe, aber dennoch sehr instruktive Beitrag von Liu Xinru widmet sich der chinesischen Sicht zur Zeit der Han-Dynastie auf das römische Imperium ("Looking towards the West - how the Chinese viewed the Romans"; 1-6). Interessant ist hier besonders, dass die chinesischen Quellen das Imperium Roman v.a. als griechisch-sprachige Welt wahrnahmen, der sie eine eigene "productive sericulture" (3) zuschrieben. Liu Xinru verweist außerdem auf römische Textilien aus Wolle, die in den chinesischen Quellen sowie im dortigen archäologischen Befund Niederschlag gefunden haben und so deutlich die Wechselseitigkeit der Austauschprozesse von kostbaren Textilien zwischen beiden Imperien dokumentieren.

Mark Kenoyer fokussiert dagegen auf Textilproduktion und -handel des antiken Indiens und spannt dabei einen weiten chronologischen Rahmen vom 3. Jahrtausend vor bis zum 3. Jahrhundert nach Christus ("Textile trade in South Asia during the Proto-Historic and Early Historic Period"; 7-26). Die Ursprünge der Wildseidenproduktion auf dem indischen Subkontinent sieht Kenoyer überzeugend bereits im 2. Jahrtausend v.Chr. und verortet die Serer der griechisch-römischen Quellen in Südasien, was interessante Überlegungen zur Herkunft von früher Seide in Mesopotamien und der Mittelmeerwelt eröffnet und Indien zu einem eigenständigen Seidenproduzenten machen würde, statt dieser Region nur die eine Rolle als Zwischenhändler chinesischer Seiden zuzugestehen.

Lilian Lan-ying Tseng stellt anhand eines Seidentextils aus einer Bestattung in Niya in der zentralasiatischen Taklamakan-Wüste Vermutungen zur Distribution von Seidenstoffen im Rahmen von Tributen zur Zeit der Han-Dynastie an ("Decoration, astrology and empire: inscribed silk from Niya in the Taklamakan Desert"; 82-94). Sie identifiziert die mit diesem Seidentextil, einem Armschutz, bestattete Person als den Herrscher von Jingjue, der als Verbündeter der Han gekämpft hatte und die Seide "through the tributary system" erhalten habe (93).

Konkrete archäologische Funde aus dem Umfeld der Taklamakan stehen auch im Fokus des reich bebilderten Beitrages von Zhao Feng ("Domestic, wild or unraveled? A study on tabby, taqueté and jin with spun silk from Yingpan, Xinjiang, third-forth centuries"; 95-103). Die hier untersuchten Textilien bestehen aus gesponnener bzw. verzwirnter Seide, was v.a. deswegen bemerkenswert ist, da dieser Arbeitsschritt bei Seidenfäden eigentlich unnötig und damit erklärungsbedürftig ist. Zhao argumentiert, dass diese Textilien lokale Produkte seien, für die andere Stoffe, die aus zentralasiatischen Seidenfäden hergestellt gewesen waren, aufgetrennt und wiederverwendet wurden. Im Zuge dieses Prozesses habe man die Fäden dann versponnen, um bestimmte Bindungstechniken herzustellen.

Der Publikation sind mehrere Karten beigegeben (in der Überblickskarte auf S. x sind die in den einzelnen Beiträgen beigefügten Detailkarten verzeichnet, was sehr hilfreich ist). Allerdings sind dort nicht alle Orte verzeichnet, auf die im Band verwiesen wird. Die Qualität der für diesen Themenkomplex unerlässlichen Abbildungen ist leider nicht immer optimal (besonders Fig. 5.23, 5.24 und 6.10). Ein Index wäre eine wertvolle Ergänzung des Bandes gewesen, auch wenn dessen Erstellung sicherlich auf Grund des in der Einleitung dargelegten Verzichts auf einheitliche Schreibweisen und Transkriptionen (ix) aufwendig gewesen wäre. Auch eine Aktualisierung der Einleitung im Lichte der zahlreichen neuen Publikationen der letzten 10 Jahre - etwa im Rahmen des interdisziplinären Projektes "BaSaR - Beyond the Silk Road" - hätte man andenken können.

Diese kleineren Monita vermögen aber das gute Gesamtbild nicht zu trüben. Auch zu einem in den klassischen Altertumswissenschaften schon lange und intensiv erforschten Thema wie der antiken Seide lassen sich in einem solch interdisziplinären Rahmen noch neue, inspirierende Erkenntnisse gewinnen, die hier einem breiteren Publikum zu einem erschwinglichen Preis zugänglich gemacht werden.

Kerstin Droß-Krüpe